ZZu Anfang möchte ich sagen, dass diese drei Begriffe nicht dasselbe bezeichnen. Spirituelles Erwachen kann auf viele verschiedene Wege geschehen. Aber es setzt ein, wenn du einmal erkannt hast, dass dein Leben auf irgendeine Weise göttlich inspiriert ist und es diese Beziehung zwischen deiner Menschlichkeit und deiner Göttlichkeit ist, die deinen höchsten Grund zu „sein“ darstellt. Doch vor allem geschieht es, wenn die Grenzen deiner Religion oder des spirituellen Dogmas, das zu glauben du gelehrt wurdest, nicht länger genügen, um dich zu halten und du dich nach den Erfahrungen deiner eigenen spirituellen Anbindung sehnst.

Dein spirituelles Erwachen ist das Antreten deiner Aufstiegsreise zum wahren Selbstwissen und deine letztendliche Selbst-Emanzipation von den Illusionen, die deine Psyche in der Knechtschaft eines falschen Selbst gefangengehalten haben. Dies kann durch einen plötzlichen Schock der Psyche geschehen, eine Nahtoderfahrung, eine unerwartete Epiphanie oder am häufigsten, durch eine spirituell aufwühlende Erfahrung, die mit einem Moment der reinen Erschöpfung zusammentrifft. Einer Erschöpfung, die durch deine konstante Bemühung, deine Ego-Identität aufrechterhalten zu müssen, zustande kam. Wie ein Schmetterling, der mit seinem Kokon ringt und versucht sich davon zu befreien, findest du dich in einem Ringen wieder, durch das du dich von den Begrenzungen deiner dir zuvor auferlegten Prinzipien entledigst.

In deinem spirituellen Erwachen bist du jedoch sehr verletzlich – so wie ein Neugeborenes. Wenn es einmal begonnen hat, wird dein Weg mit neu hervorkommenden Fallstricken und Irrwegen übersät sein. Intellektueller Treibsand, bestehend aus all den Fallen, die der Ambition und Geltungssucht entspringen, wickeln den jungen Eingeweihten möglicherweise ein, indem sie ihm eine bessere und machtvollere Persona versprechen.

Erleuchtung wird nicht durch eine Form des Strebens oder des Werdenwollens realisiert. Sie geschieht durch einen Prozess des mühelosen Loslassens und dem Stillen jedes Drucks zu „sein“, der sonst durch die Begierden des Egos mental eingebracht wird.

Doch was jetzt wichtig ist, ist die Meisterleistung, dich von der Angst zu befreien, die dich an das Gewohnte bindet. Dein Verlangen zu „wissen“ ist nach Lebenszeiten der Kontrolle durch gesellschaftliche und religiöse Dogmen stärker, als die Angst vor Verfolgung. Und wichtiger noch, deine Angst vor dem Unbekannten ist nicht mehr stark genug, um dich zurückzuhalten. Du bist das Risiko eingegangen! Du hast den Mut gefunden, hast den Moment ergriffen und dich kopfüber in die tiefen und doch unbekannten Gewässer gestürzt – die Gewässer der Möglichkeit.

Im Ergebnis findest du dich ohne wirkliches Gefühl deiner selbst und ohne das persönlich Bekannte wieder, das dir einst verlässlich ein Gefühl der Zugehörigkeit gegeben hat. Wenn deine Ego-Identität erst einmal infrage gestellt wird, weißt du auch, dass nun auch ebenso deine gesamte Ansammlung der damit in Bezug stehenden Begrenzungen infrage gestellt wird. Folglich wird die erste Frage, die du dir wahrscheinlich stellen wirst, sein: „Wer bin ich?“

Zweifellos wirst du Zehntausende Antworten auf diese Frage finden. Antworten, die dich durch endlose Korridore senden können, während deine Psyche dich mit dem hartnäckigen Bemühen verfolgt, dein Streben jemand sein zu wollen wiederherzustellen.

Falls du bis jetzt noch nicht an diesem Punkt sein solltest, sei dir versichert, dass dies jedem geschieht und daher auch dir. Es ist ein natürlicher Zustand der Psyche, dem zu dienen, was wir glauben. Tatsächlich ist es so, dass die Suche nach einem anderen, besseren Selbst ein nötiger Reifeprozess ist, der ein benötigtes neues Spektrum von Kontrasten mit sich bringt, durch die wir lernen, wachsen und gute Werke vollbringen.

Und so wird dir auch plötzlich ein Kaleidoskop von neuen Wahlmöglichkeiten offen stehen. Einen neuen Einblick in das Leben zu erlangen, mag einige von euch dazu führen sich als gerechte Rebellen oder Befreier zu sehen, denen die Gnade verliehen worden ist, die alten Dogmen zu bekämpfen oder als Pioniere eines neuen Weges voranzuschreiten. Oder, die alternativ jedes verfügbare Buch durchforsten, jedes Seminar besuchen, jede spirituelle Organisation oder alte Tradition ausprobieren auf die sie stoßen, um die verlorenen Weisheiten zu finden, die der vergessenden Welt wiedergegeben werden sollten. Einige von euch mögen sich darin wiederfinden alternative Identitäten anzunehmen, neue farbenprächtige Gewänder anzuprobieren, indem sie sich als Channel, Hellsichtige, Lichtarbeiter, Schamanen oder durch eine Vielzahl anderer ähnlicher Begriffe bezeichnen, die ihrer kreativen Inspiration dienen mögen. Und auch wenn diese Dinge in ihren Erscheinungsformen so sein mögen, wird jede neue Bezeichnung, selbst wenn sie eine neue oder bessere ist, eine weitere zu entfernende Begrenzung sein. Natürlich, gute Taten sind gute Taten, aber sieh dich vor der Identität vor, denn jede neue Identität – ob groß oder klein – geht mit einer neuen Sammlung von Ego getriebenen Ängsten und Anhaftungen einher – ohne Ausnahme zur Regel.

Dein spirituelles Erwachen wird sich nicht wirklich etablieren können, solange du nicht jede Bemühung aufgibst, dein altes Selbst durch ein neues zu ersetzen, selbst wenn es sich dabei um ein besseres spirituelles Selbst handelt. Es wird sich erst etablieren können, wenn du endgültig vor der einfachen Tatsache kapitulierst, dass du nicht bist, wer du dir jemals vorgestellt hast zu sein oder dir jemals vorstellen wirst zu sein. In Wahrheit ist dieses wahre „du“, das du immer schon warst, bereits genug. Es ist innerhalb deiner Grenzen und deiner Einzigartigkeit dennoch das höchste Selbst.

Im Idealfall ist das spirituelle Erwachen dein Übergang zur nächsten Ebene des Gewahrseins, die manchmal als Selbstrealisation bezeichnet wird. Selbstrealisation tritt erstmals in Erscheinung, wenn der spirituell Eingeweihte über das falsche Bedürfnis hinaus geht, eine weitere Identität oder vorgestelltes Selbst zu erlangen und erkennt, dass das wahre Hohe Selbst nicht innerhalb der Begrenzungen des Verstandes erfasst oder erkannt werden kann. Es beginnt mit einer einfachen Erkenntnis: „Das wahre Hohe Selbst zu definieren, bedeutet gleichzeitig dieses Selbst zu verfehlen!“ Nach dem Hohen Selbst zu streben, um mit ihm zu verschmelzen, wird wenig mehr als eine weitere Illusion erzeugen. Wie verschmilzt man mit etwas, das man bereits ist, ohne dabei im Endeffekt eine Illusion der Trennung zu bekräftigen, die eine Sache, die der wahren Erleuchtung im Wege steht? Auf viele von euch, welche die Sinnlosigkeit erkannt haben, das Hohe Selbst zu etikettieren oder zu definieren, mag ein neuer Pfad für eine Weile anziehend wirken. Ein Pad, der empfiehlt, das Gegenteil zu tun: Lass alles los, das als Identität aufgefasst werden kann. Diese Herangehensweise bezeichnet man als Neti Neti, was bedeutet „nicht dies, nicht das.“ Dieser Weg verlangt von dir in der Meditation deinen Gedanken und deinen Handlungen zu erklären: „Ich bin nicht dieser Körper – ich bin nicht einmal dieser Verstand, der denkt, dass ich das nicht bin.“

So seltsam es auch klingen mag, kann Neti Neti für einige Eingeweihte tatsächlich ein weiterer wichtiger Reifeprozess sein. Schließlich beginnt der aufrichtige Weg in die Erleuchtung immer mit einem Lernprozess des Loslassens. Gautama Buddha sagte einst seinen Schülern: „Wenn das Objekt der spirituellen Praxis das Loslassen ist, dann wird der Suchende mit Sicherheit die Strömungen der Glückseligkeit finden.“ Jedoch sagte er nicht: „Praktiziert Neti Neti.“ Er sagte ganz einfach: „Lerne loszulassen.“ Die meisten ernsthaften Eingeweihten entdecken irgendwann, dass Neti Neti nicht zur Selbstrealisation führt!

Es ist wichtig zu lernen, wie man zwischen dem was real ist oder falsch unterscheiden kann. Doch wenn jeder Gedanke oder jedes Objekt der Wahrnehmung als Illusion angesehen wird, dann wird der Weg selbst, unvermeidlich in sich zusammenfallen. Einige mögen überzeugend erklären: „Aha, wenn der Weg nicht mehr ist, bist du endlich angekommen!“ Wirklich? Es bleibt nur ein weiteres Problem übrig: Es gibt kein Objekt der Wahrnehmung, das als real angesehen werden kann. Kein Gefühl von etwas ist real, nicht einmal der Ort, an dem du im „Jetzt“ stehen magst. Es gibt nur eine riesige, unermessliche zeitlose klaffende Leere.

Vielleicht gibt es einen anderen Weg dies zu erkennen? Vielleicht fehlte nur etwas in der Formel des Neti Neti, dem „ich bin nicht dies, ich bin nicht das“? Vielleicht wäre es eine bessere Formel gewesen zu bekräftigen „Ich bin nicht nur dies, ich bin nicht nur das“. Dies würde das Hervorkommen der Wahrheit nie durch einen Prozess der Verleugnung begrenzen, sondern ermöglichen, ihre größere Natur zu entdecken, indem alles nach und nach als „alles umfassend“ erkannt wird. Am Ende dieser Straße würde man keiner großen Leere gegenüberstehen, sondern einer Fülle, die von einem Selbst zeugt, das in allem ist. Oder von einem Selbst, das in seiner unbegrenzten Natur auch in der Lage ist alles zu sein. Der Prozess des Eingeweihten würde darin zu einem Loslassen, während er ein sich immer weiter ausdehnendes Bewusstsein erfährt.

Buddha gab seinen Schülern einen besonderen Schlüssel zu dem, was der Prozess des Loslassens einem eröffnen könne. Er sagte: „Lass los, damit du die Strömungen der Glückseligkeit realisieren kannst.“ Mit anderen Worten sagte er: „Lass los, sei still und erlaube der Süße deines wahren Selbst, seine leuchtende Natur durch deine hindernisfreie Psyche zu offenbaren.

Selbstrealisation ist dasselbe wie der Glanz der Selbsterkenntnis. Wenn der Eingeweihte lernt, jede Bemühung jemand zu sein oder zu werden loszulassen, oder sich mit etwas zu identifizieren, dann können die Anhaftungen und Aversionen des Egos, die den Sinn der Realität verzerren, hinwegfallen und zum Stillstand gebracht werden. Und wie Wasser, das in der makellosen Stille klar wird, kann das Glückseligkeitslicht des wahren Hohen Selbst, das seinen Glanz in dich fließen lässt, endlich durch jenes Instrument scheinen, das wir die fühlende Psyche nennen. Wenn dies zur alleinigen Erfahrung des Eingeweihten wird, dann hat sie oder er einen Zustand der anfänglichen Selbstrealisation erlangt.

Viele der erleuchteten Meister alter Zeiten sind zu einer ähnlichen Folgerung gelangt, wie viele von euch es auf eurem eigenen Weg in die Erleuchtung tun werden. „Das Hohe Selbst will sein!“ Wäre dem nicht so, würde nichts existieren – weder du, noch diese Welt, noch dieses Universum. Wenn jeder Versuch enden würde, unsere physischen, energetischen, mentalen und spirituellen Reiche von dem undefinierbaren und obersten, absoluten Feld des Bewusstseins zu trennen, und alles was ist oder je sein wird, endlich als das Offenbaren der Möglichkeit erkannt wird, die innerhalb des Göttlichen existiert, dann kommt die Stufe des Erwachens in die uns innewohnende Natur in Reichweite – Erleuchtung.

Selbstrealisation ist keine wahre Erleuchtung. Selbstrealisation ist die Erkenntnis des Selbst. Und egal wie groß diese Erkenntnis sein mag, sie wird nie ausreichend sein, um dich vollständig zu erwecken! Nein – es ist die Fähigkeit dem Verlangen des undefinierbaren Hohen Selbst zu erlauben, fortwährend seine beabsichtigte göttliche Manifestation hervorzubringen: Dich, in deiner wahren Natur. Erleuchtung ist nicht das Resultat der Selbstrealisation, sie beruht auf ihrer Verwirklichung. Das falsche Selbst lebt ein falsches Leben – das wahre Selbst lebt ein wahres Leben. Der Unterschied ist monumental. Dies wird selten in seinem wahren Zusammenhang verstanden, bis der Moment des eigenen Erwachens gekommen ist.

Erleuchtung wird nicht durch eine Form des Strebens oder des Werdenwollens realisiert. Sie geschieht durch einen Prozess des mühelosen Loslassens und dem Stillen jedes Drucks zu „sein“, der sonst durch die Begierden des Egos mental eingebracht wird. Erleuchtung ist nicht das Produkt oder Ergebnis der Arbeit der Psyche. Sie beginnt nur durch die Psyche zu scheinen, wenn den wartenden Strömungen der Glückseligkeit erlaubt wird, unbeeinträchtigt durch die Psyche emporzusteigen. Wenn sie dabei dein Herz und deinen Verstand vollständig überfluten dürfen und dadurch anregen, den Willen des größeren Selbst umzusetzen. Wenn dies geschieht, ist die erste Stufe von drei aufeinanderfolgenden Zuständen der Erleuchtung verankert. Dann beginnt dein ultimatives Abenteuer.

Text: Aaravindha Himadra
Übersetzt von Aiyanna Diyamayi

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